- Spaniens Hegemonie im 16. und 17. Jahrhundert: Katholische Vormacht
- Spaniens Hegemonie im 16. und 17. Jahrhundert: Katholische VormachtDer Herrschaftsbereich der spanischen Habsburger bestand in Europa im Wesentlichen aus dem Teil der zu Beginn des 16. Jahrhunderts habsburgisch gewordenen Länder, die in den Wormser und Brüsseler Hausverträgen von 1521/22 an den Römischen König und späteren Kaiser Karl V. gefallen waren: die Königreiche Kastilien und Aragonien auf der Iberischen Halbinsel und den Inseln des westlichen Mittelmeeres, die Königreiche Sardinien, Sizilien und Neapel, die Freigrafschaft Burgund (Franche-Comté) und die in viele Herrschaften aufgeteilten Niederlande im Westen und Nordwesten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. 1535 kam nach dem Aussterben des Hauses Sforza das Herzogtum Mailand als Reichslehen hinzu, 1580 das Königreich Portugal.Über die Habsburger, vor allem über den seit 1516 zusammen mit seiner regierungsunfähigen Mutter Johanna (der Wahnsinnigen) herrschenden König Karl I., den späteren Kaiser Karl V., wurde das Erbe der »Katholischen Könige«, Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragonien, stärker als jemals zuvor in die gesamteuropäische Politik hineingezogen. Bevor Karl I. (V.) dabei allerdings eine aktive Rolle spielen konnte, musste er sich 1517/18 erst einmal bei den kastilischen und aragonesischen Ständen (Cortes) durchsetzen und 1520 bis 1522 den vorwiegend auf Kastilien beschränkten Aufstand der Städte niederschlagen.Der Aufstieg König Karls I.Vom innenpolitisch bedeutsamen Sieg der königlichen Truppen über die Aufständischen (comuneros) bei Villalar am 23. April 1521 an hatte Karl I. den Rücken frei für die Sicherung der habsburgischen Vormachtstellung in Europa. In vier Kriegen zwischen 1521 und 1544 gegen König Franz I. von Frankreich behauptete er seinen Besitz an der spanisch-französischen Grenze, auf der Apenninenhalbinsel und in den burgundischen Niederlanden; in Oberitalien konnte er durch den Erwerb Mailands den spanischen Einfluss sogar stärken, indem er dort 1540 seinen Sohn Philipp als Herzog einsetzte. Weniger erfolgreich war er in dem Bestreben, das westliche Mittelmeer vom osmanischen Einfluss zu befreien und die Seewege zwischen Spanien, Sardinien, Sizilien und Süditalien gegen die von Frankreich unterstützten Störungen durch die türkische Flotte unter Cheireddin Barbarossa vollständig unter seine Kontrolle zu bringen. Zwar konnte Karl 1535 mithilfe des genuesischen Admirals Andrea Doria Tunis und Biserta erobern, aber nach seiner 1541 verlustreich gescheiterten Expedition nach Algier musste er sich damit abfinden, dass die nordafrikanische Küste unter islamischer Vorherrschaft blieb. Erst der Seesieg einer gemeinsamen Flotte der von Venedig, dem Papst und Spanien gebildeten »Heiligen Allianz« bei Lepanto am 7. Oktober 1571 unter dem Oberbefehl Juan d'Austrias, des Sohnes Kaiser Karls V. und der Regensburger Bürgertochter Barbara Blomberg, leitete den Niedergang der osmanischen Vorherrschaft im Mittelmeer ein, ohne dort eine spanische zu begründen.Höhepunkt unter König Philipp II.Als 1574 nach fast vier Jahrzehnten spanischer Herrschaft Tunis und Biserta wieder an türkische Vasallen fielen, war das außenpolitische Interesse Spaniens schon längst auf Kontinentaleuropa gerichtet. Der älteste Sohn Karls I. (V.) hatte als König Philipp II. 1555 in den Niederlanden sowie 1556 in Spanien und allen dazugehörenden Besitzungen die Nachfolge angetreten und sollte das Werk seines Vaters mit der Verwirklichung der Hegemonie Spaniens und seiner katholischen Vormachtstellung vollenden. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die Beendigung des noch von Karl V. begonnenen Krieges gegen Frankreich im Frieden von Cateau-Cambrésis am 3. April 1559 und die nach dem plötzlichen Tod König Heinrichs II. im Nachbarland ausbrechenden Hugenottenkriege. In Cateau-Cambrésis erhielt Philipp II. seine italienischen und burgundischen Besitzungen bestätigt und konnte mit seiner dritten Heirat mit der katholischen Elisabeth von Valois, der Schwester der französischen Könige aus dem Haus Valois (bis 1589), den Ausgleich mit Frankreich und seine Stellung weiter festigen. Schon seine erste Ehe mit Maria von Portugal hatte außenpolitischen und dynastischen Interessen mit dem Ziel der Vereinigung aller Königreiche der Iberischen Halbinsel in einer Hand gedient, das 1580 nach dem Aussterben der portugiesischen Königsfamilie Avis erreicht wurde. Indem Philipp II. von der portugiesischen Ständeversammlung als Thronfolger anerkannt wurde, wurde nicht nur er zum mächtigsten europäischen Herrscher, sondern Spanien auch zur größten Kolonialmacht Europas.Beginnender NiedergangIn dem Maße, in dem sich Spanien im Mittelmeerraum nicht durchzusetzen wusste, verlagerte es nach Herstellung der Personalunion mit Portugal seine Interessen zum Atlantik. Dabei war der Konflikt mit England unvermeidlich, wo mit Königin Elisabeth I. 1558 eine Herrscherin an die Macht gekommen war, die zugleich an der Spitze der antirömischen anglikanischen Kirche stand. Die Hoffnungen Philipps II., die er und sein Vater 1554 in seine zweite Ehe mit Elisabeths Vorgängerin Maria I. aus dem Hause Tudor gesetzt hatten, hatten sich nicht erfüllt. Mit deren Tod endeten die Bemühungen, England wieder zur katholischen Kirche zurückzuführen, und mit der Hinrichtung Maria Stuarts, der Königin von Schottland, verlor Philipp II. 1587 eine politische Alternative auf der Britischen Insel. Elisabeth I., die einen Heiratsantrag Philipps II. abgelehnt hatte, wurde zur großen Gegenspielerin des Habsburgers, die — wie der spanische König — der Epoche der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts in ihrem Land und in Europa ihren Namen gegeben hat. An keinem Ereignis ist dies deutlicher geworden als am Untergang der großen, 130 Kriegsschiffe mit 2500 Kanonen und 22000 Mann Besatzung umfassenden und als unschlagbar geltenden spanischen Armada im Ärmelkanal 1588. Zwar vermochte Spanien auch danach durch verstärkten Schiffsbau und Modernisierung seiner Flotte die Wege zu seinen Kolonien in Mittel- und Südamerika zu sichern, aber es war bei wachsender englischer Konkurrenz anfälliger geworden und blieb vor allem auf dem Seeweg von seinen niederländischen Besitzungen abgeschnitten. Nicht nur, aber auch aus diesem Grund konnte Philipp II. ihre Teilung nach 1581 in nördliche und südliche Provinzen nicht verhindern, und sein Sohn Philipp III. musste die Selbstständigkeit der Republik der Vereinigten Niederlande anerkennen. Dies bedeutete zugleich, dass den Spaniern neben den Engländern ein zweiter Konkurrent auf den Weltmeeren erwuchs.Katholische VormachtSo wie Spanien unter Philipp II. eine hegemoniale Stellung in Europa erreichte, so begann unter diesem König auch bereits wieder der Niedergang. Im Verhältnis zu Frankreich kam er über den Frieden von Cateau-Cambrésis nicht hinaus; denn am Ende verlor er den Kampf um den französischen Thron des kinderlosen Königs Heinrich III. (✝ 1589) gegen den Bourbonen Heinrich IV. und musste im Frieden von Vervins 1598 nicht nur auf alle Thronansprüche in Frankreich verzichten, sondern auch das Ziel der Ausrottung der Hugenotten aufgeben. Gleichwohl leistete Philipp II. insgesamt seinen Beitrag, den Vormarsch des Protestantismus in Europa zu stoppen und Frankreich dem Katholizismus zu erhalten. Wie sein Vater hatte er sich dem Schutz der katholischen Kirche verschrieben und von den Beschlüssen des 1563 beendeten Konzils von Trient vor allem jene begrüßt, die den Katholizismus klar umschrieben und seine Glaubensinhalte fixierten. Zu ihrer Durchsetzung diente in erster Linie die erneuerte Inquisition, die in Spanien seit 1478 unter einem stark vom König abhängigen Großinquisitor tätig war. Hauptträger war die »Gesellschaft Jesu« (Societas Jesu; SJ), die, von dem aus baskischer Familie stammenden Ignatius von Loyola 1534 gegründet, 1540 vom Papst anerkannt wurde und in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts von etwa 1000 auf über 10000 Mitglieder anwuchs (1608). Unter dem Wahlspruch omnia ad maiorem Dei gloriam (alles zur größeren Ehre Gottes) wirkten die Jesuiten gegenreformatorisch in ganz Europa im Sinne der katholischen Reform. Über Schul- und Universitätsgründungen prägten sie Bildung und Wissenschaft sowie das kulturelle Leben insgesamt und gewannen zunehmenden Einfluss auch auf die Politik katholischer weltlicher Herrscher.Unaufhaltsamer AbstiegDer offensichtlich am Ende des 16. Jahrhunderts beginnende Niedergang Spaniens wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts von König Philipp III. weiter beschleunigt. Die höchsten Gewinne aus amerikanischem Silber konnten nicht verhindern, dass nahezu die Hälfte der Staatseinnahmen zur Schuldentilgung benötigt wurde. Darüber hinaus führte der junge, an den Herrschaftsgeschäften nicht interessierte König, der bis 1618 ganz unter dem Einfluss des verschwenderischen Herzogs Francisco von Lerma, des »größten Diebes Spaniens« stand, ein höchst kostspieliges Hofleben, das die durch die Auseinandersetzungen vor allem in den Niederlanden und mit Frankreich fortgesetzt angespannten Staatsfinanzen weiter in Mitleidenschaft zog.Und so konnte der leitende Minister Gaspar de Guzmán, Graf von Olivares, zu Beginn der langen Regierungszeit König Philipps IV. nur eine deprimierende, in zahlreichen Denkschriften dokumentierte Bestandsaufnahme der innen- und außenpolitischen Situation Spaniens vorlegen, die noch dadurch verschärft war, dass Günstlingswirtschaft, Patronage und Ämterhandel weltliche wie geistliche Handlungsebenen des Staates moralisch diskreditiert hatten. Olivares betrachtete es als die wichtigste Aufgabe des jungen Königs, die Vielzahl seiner verschiedenen Monarchien und Herrschaftsgebiete zusammenzufassen und die übermäßige Teilhabe vor allem des Adels und der Geistlichkeit an der königlichen Macht erheblich einzuschränken, also die Staatsgewalt zu zentralisieren. Aber er zog daraus nicht die Konsequenz, zunächst nur eine innere Reform Spaniens in Angriff zu nehmen, sondern ihm ging es zugleich um die Wiederherstellung der einstmals erreichten außenpolitischen Vormachtstellung. Indem er den zwölfjährigen Waffenstillstand mit der Republik der Vereinigten Niederlande von 1609 nicht verlängerte und gleichzeitig an der Seite der deutschen Habsburger im Dreißigjährigen Krieg aktiv wurde, kehrte er zur alten Kriegspolitik Spaniens, aber nicht zu den alten Erfolgen zurück.Im Dreißigjährigen KriegZwar gelang es, den für eine Behauptung der Niederlande — angesichts der von den Engländern versperrten Seewege — notwendigen Landweg durch Graubünden als Verbindung zwischen dem Herzogtum Mailand, der Freigrafschaft Burgund und den Spanischen Niederlanden zu halten und das Veltlin mit den wichtigen Alpenpässen für freie Truppendurchzüge unter spanische Militärverwaltung zu stellen, aber die Feldzüge in den Niederlanden in den 1620er Jahren waren nur unter äußersten militärischen und finanziellen Kraftanstrengungen möglich. Die von Diego Velázquez gemalte »Übergabe von Breda« nach dem Erfolg des spanischen Generals Ambrosio Spínola im Jahre 1625 und die Rückeroberung der Stadt 1637 durch die Niederländer stehen für die wechselvolle Geschichte der Auseinandersetzungen in dieser Zeit. Sie endeten schließlich mit dem Spanisch-Niederländischen Vertrag vom 30. Januar 1648 (auch 1.Westfälischer Friede genannt), in dem die Republik der Vereinigten Niederlande endgültig ihre Unabhängigkeit von der spanischen Krone bestätigt erhielt.Weitreichender waren die neuerlichen Auseinandersetzungen mit Frankreich, die nach dem Aussterben der in Mantua regierenden Gonzaga (1627) zunächst im Mantuanischen Erbfolgekrieg von 1628 bis 1631 eskalierten. Im Vertrag von Chierasco (1631) erreichte Karl I. von Nevers die Belehnung mit den heimgefallenen Reichslehen Mantua und Monferrato, während Graubünden von französischen Truppen besetzt wurde. Damit verlor Spanien bis 1637 die Kontrolle über die Alpenpässe und das Veltlin. Die französische Kriegserklärung an Spanien vom Mai 1635, der im September die an Kaiser Ferdinand II. folgte, aber leitete einen Krieg ein, der erst im Pyrenäenfrieden vom 7. November 1659 seinen Abschluss fand. Die das Land überanstrengende Kriegspolitik entlang einer Linie von den Niederlanden bis zu den Pyrenäen führte zu einer Destabilisierung der Gesamtmonarchie. 1640 löste sich das Königreich Portugal aus der seit sechzig Jahren bestehenden Personalunion mit Spanien, weil es sich der expansiven Politik des Grafen Olivares nicht länger unterordnen wollte. Im selben Jahr begann der sich über ein Jahrzehnt erstreckende katalanische Aufstand, der sich gegen die Madrider Zentrale richtete und das von Olivares angestrebte gesamtspanische Einheitsbewusstsein entscheidend infrage stellte. Es war nur konsequent, dass Olivares wegen Erfolglosigkeit entlassen wurde.Mit dem auf der Fasaneninsel im französisch-spanischen Grenzfluss Bidasoa abgeschlossenen Pyrenäenfrieden wurde nicht nur ein über zwanzigjähriger Krieg beendet, sondern zugleich das Ende der Hegemonie Spaniens in Europa im 16. und 17. Jahrhundert markiert. Weniger die Gebietsverluste an Frankreich (Roussillon, Cerdagne, Conflans, Teile von Flandern, Hennegau, Artois und weitere südliche Teile der verbliebenen Niederlande) als vielmehr die Art und Weise des innen- wie außenpolitischen Niedergangs über Jahrzehnte hinweg setzten diese Zäsur, die für Frankreich zugleich eine erste wichtige Station auf dem Weg zur Erlangung einer Vormachtstellung in Europa war. Die als Bestandteil des Friedens getroffene Heiratsvereinbarung zwischen dem französischen König Ludwig XIV. und Maria Theresia, der Tochter Philipps IV., sollte zudem am Ende des Jahrhunderts für Europa bedeutsam werden, als mit Karl II. die spanischen Habsburger im Mannesstamm ausstarben. 1665, im Alter von vier Jahren, als Nachfolger Philipps IV. König von Spanien geworden und selbst kinderlos geblieben, setzte er den Abstieg in seiner Regierungszeit weiter fort. Alle Vorkehrungen, den sich abzeichnenden europäischen Krieg um das noch immer große spanische Erbe zu verhindern, blieben erfolglos. Der Spanische Erbfolgekrieg von 1701 bis 1713/14 leitete eine neue Epoche in der Geschichte Europas ein.Prof. Dr. Helmut NeuhausGrundlegende Informationen finden Sie unter:Elliott, John H.: Imperial Spain 1469-1716. Harmondsworth 1981. Nachdruck Harmondsworth 1990.Fernández-Armesto, Felipe: The Spanish Armada. The experience of war in 1588. Oxford u. a. 1988.Lovett, Albert W.: Early Habsburg Spain. 1517-1598. Oxford u. a. 1986.Lynch, John: Spain under the Habsburgs, 2 Bände Oxford 21981.
Universal-Lexikon. 2012.